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Braucht die Baubiologie ein Label?

"Dieses Gebäude wurde nach den gültigen Standards des Vereins Baubioswiss umgebaut"

So oder ähnlich könnte eine Tafel am Eingang von Wohn- oder Geschäftshäusern aussehen. Warum eigentlich nicht? Der Verein Minergie etwa macht das schon seit 20 Jahren. "Die Schweizer Baubiologinnen und Baubiologen könnten sich mit einem Label klarer positionieren, und der Gedanke des gesunden Bauens würde in der Schweizer Öffentlichkeit bekannter, was sicher nicht schaden würde", gibt Bosco Büeler, Baubiologe, St. Gallen, zu bedenken.

"Ein solches Label beschäftigt die Baubiologinnen und Baubiologen seit den Anfängen", sagt Baubioswiss-Präsident Jörg Watter. "Doch so bestechend die Idee des Labels klingt, so anspruchsvoll wäre dessen Umsetzung. Ein Label zu entwickeln und zu verwalten ist eine grosse Sache, die viele Mittel, sowohl Zeit als auch Geld, bindet. Zusätzliche braucht es eine Organisation für die Definition der Kriterien, und eine andere, die unabhängig zertifiziert."

Nicht alles ist messbar

Neben finanziellen Aspekten gibt es noch andere Hürden, denn die Erfassung der verschiedenen Parameter der baubiologischen Aspekte ist nicht ganz einfach. Einerseits gibt es den Standard der Baubiologischen Messtechnik (SBM) der deutschen Schwesterorganisation IBN. Damit können auch die Beraterinnen und Berater von Baubioswiss die physikalischen und chemischen Grenzwerte für die Bereiche Elektrosmog, Lärm, Radon oder Raumluft genau bestimmen, wie sie im Vereinsflyer aufgelistet sind.

Der Anspruch von Baubioswiss geht weiter

Über das rein Messbare hinaus spielen sinnliche und psychische Faktoren ebenfalls eine Rolle. "Genau diese Aspekte sind oft ausschlaggebend, ob wir uns in einem Raum oder in einem Gebäude wohlfühlen", stellt Watter fest. "Daher behandeln wir sie gleichberechtigt zu Themen wie etwa den Energieverbrauch eines Raumes. Denn nur eine ausgewogene Lösung, welche alle Aspekte miteinbezieht, kann letztlich den Menschen nähren und ihm Kraft für die täglichen Herausforderungen geben. Die über 40-jährige Erfahrung der Baubiologie kann genau bei diesen Aspekten unterstützen und dazu braucht es möglicherweise nicht unbedingt ein Label."

Eine feste Grösse: Label "natureplus"

Messbar ist hingegen die Qualität von Baustoffen. Dafür gibt es das bewährte Label "natureplus", das sich in den 15 Jahren seines Bestehens bewährt hat. Es empfiehlt unbedenkliche Bauprodukte wie Farben, Verputze, Holz oder Wärmedämmungen. Damit kann gesund und ökologisch, also nachhaltig, gebaut werden. Die Unbedenklichkeit der Baustoffe, das heisst vor allem ihre Herstellung, wird von der Organisation laufend geprüft. "Ich bin mir bewusst, dass wir hier noch stärker an die Öffentlichkeit treten und breiter informieren müssen", betont Bosco Büeler, einer der Gründungsväter von "natureplus". Eine Tafel am Haus mit der Aufschrift "Mit natureplus-Baustoffen erstellt", könnte schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung sein. Dazu gehört auch der Hinweis, dass die gesunden Bauprodukte nur unwesentlich teurer sind als konventionelle.

Gesunde Büroräume

Würden Investoren mehr baubiologische Büro- oder Wohngebäude erstellen, könnten alle Beteiligten davon profitieren: Die Mitarbeitenden bleiben gesünder und fühlen sich wohler. Dazu sind die Unterhaltskosten für den Investor geringer. "Die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes ist zentral, wird aber aus Kostengründen geringgeschätzt", sagt Jörg Watter. Zwar decken die zertifizierbaren Aspekte die Anforderungen nach genügend Tageslicht oder schadstofffreien Innenräumen ab. Was aber fehlt, sind alle jene Aspekte, welche das Arbeiten letztlich angenehmer machen: Ergonomische Möbel und deren optimale Platzierung im Raum, unterstützende Farben, Pflanzen im Innen- und Aussenbereich, angenehme Oberflächen und Baustoffe wie zum Beispiel Lehm, die für ein ausgeglichenes Raumklima sorgen.

Die Diskussion geht weiter

Ob ein eigenes Label oder die Ergänzung eines bestehenden Labels um fehlende Aspekte einen Mehrwert für die Baubiologinnen und Baubiologen darstellen würde, ist nicht abschliessen zu beantworten - für Jörg Watter ist aber klar: "Als Baubiologinnen und Baubiologen schaffen wir für Investoren und Firmen in der Schweiz einen Mehrwert, welchen die kommenden Generationen immer stärker einfordern werden: Gesunde, unterstützende und stärkende Räume für das Arbeiten und Wohnen der Zukunft."

Was gängige Labels von der Baubiologie unterscheidet

Der "Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz" SNBS berücksichtigt ein Dutzend Nachhaltigkeitsaspekte, verteilt auf die drei Dimensionen Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt. Ähnlich, aber schon älter sind das deutsche Label DGNB oder die angelsächsischen Labels BREEAM und LEED. Allen diesen Labeln gehen indessen die baubiologischen Qualitäten ab, die für das Wohlbefinden des Menschen entscheidend sind:

Beispiel Bodenheizung:

Diese wohl häufigste Art der Wohnraumbeheizung soll nach den gängigen Labels die Wärme im Gebäude sicherstellen. Die Baubiologie rät davon ab. Denn eine Bodenheizung erreicht nur gerade die Füsse. Gerade ältere Leute klagen bei Bodenheizungen über Stauwärme in den Beinen oder gar geschwollene Beine. Dagegen bestrahlt eine Wandheizung den ganzen Körper gleichmässig mit Wärme. Die Raumtemperatur kann gesenkt werden, da das Wohlbefinden früher eintrifft.

Beispiel Kalkputze:

Kalk leitet die Wärme schlecht und eignet sich daher ideal für das Verputzen von Wänden. Für das Aushärten benötigt der Kalk CO2 und bindet so jenen Teil wieder, welcher der Stein beim Brand abgeben hat. Kalk ist ein Produkt, welches seit Jahrtausenden angewendet wird, nachhaltig und langlebig ist.

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